Freitag, 10. November 2017

[Spielbericht] #38/2017: New Angeles

Nach der Spiele-Messe in Essen beginnt immer die große Zeit des Ausprobierens neuer Spiele. Und auch für mich als Schreiber eines Blogs sind natürlich nun erst mal die neuen Titel deutlich interessanter als Spiele aus meinem langjährigen Bestand. Zudem war ich auf der Messe ja auch als Supporter für einen Verlag tätig und hatte somit kaum Zeit die Seite aktuell zu halten. Nun starte ich aber langsam wieder meine Spielberichte und konzentriere mich dabei wie eben schon begründet erst mal auf die neuen Werke. So werde ich z.B. den Spielbericht zu unserer Eclipse-Partie, die ja noch in der Woche vor der Messe stattfand, etwas nach hinten schieben. Denn auch wenn man sich die Besucherzahlen ansieht ist das Interesse an den Neuerscheinungen deutlich höher. Daher nun also NEW ANGELES, ein Spiel bei dem es an unserem Spieletisch hoch her ging...    


Spiel: New Angeles
Autoren: James Kniffen
Verlag: Heidelberger Spieleverlag / Fantasy Flight Games
Jahr: 2016
Spieler: 4-6
Spieldauer: ca. 2-4 Stunden
Merkmale: Netrunner, Politik, Absprachen, semi-kooperativ
Mitspieler: Christopher, Gregor, Michael, Sebastian, Tobias

SPIELABLAUF 

Aufmerksam wurde ich auf dieses Spiel aus zwei Gründen. Zum einen weil es im Android Netrunner Universum spielt (ich liebe das gleichnamige LCG Kartenspiel und halte es für eines der besten 2-Personen-Spiele) und zum anderen weil es oft in einem Atemzug mit BATTLESTAR GALACTICA genannt wurde. Also einem semi-kooperativen Spiel mit Verrätermechanismus welches schon für manch herrlichen paranoiden Abend gesorgt hatte. Ob diese Vergleiche jedoch begründet sind erzähle ich dann später in meinem Ersteindruck.

Doch worum geht es erst einmal?

Der Spielaufbau zu einer Partie NEW ANGELES...
Wir Spieler stellen Konzerne dar die in der wohlhabenden Stadt New Angeles um die Macht wetteifern. Ziel ist dabei natürlich nur die Gewinnmaximierung und dies geht nur wenn die Bevölkerung ruhig gestellt wird. Diese wird nämlich immer aufmüpfiger je mehr die Ressourcen der einzelnen Stadtteile ausgebeutet werden. Dies ist aber notwendig um den luxuriösen Lebensstil der Stadtbewohner zu befriedigen was genügend Konfliktpotential in sich birgt. Jeder Spieler versucht möglichst viel Kapital anzuhäufen, doch ist auch Vorsicht geboten! Geraten die Unruhen nämlich außer Kontrolle wird die Regierung die Kontrolle über die Stadt übernehmen und die unfähigen Konzerne entmachten.

Spielmechanisch ist dies erst einmal etwas ungewohnt umgesetzt. In der ersten Phase einer Runde wird nämlich gemeinsam entschieden welche Aktion genau durchgeführt werden soll. Dazu kann der aktive Spieler einen Hauptvorschlag unterbreiten indem er eine seiner Handkarten auswählt (die allesamt Aktionsvorschläge darstellen). Je nach Konzern bekommt man unterschiedliche davon aus insgesamt 5 verschiedenen Bereichen (Bau, Arbeitskräfte, Biotech, Medien und Sicherheit). Nach diesem Vorschlag hat nun jeder Mitspieler die Möglichkeit eine seiner Karten als Gegenvorschlag anzupreisen. Am Ende dieses Vorgangs gibt es aber nur zwei Vorschläge über die alle Spieler abstimmen. Der Hauptvorschlag ist dabei immer im Rennen. Dazu gesellt sich immer genau ein Gegenvorschlag (nämlich der letzte der in Spielerreihenfolge gemacht wurde).

Die 5 Stapel der Aktionskarten ...

Nun dürfen alle Spieler die keine Karte im Rennen haben einen der beiden Wahlmöglichkeiten ihre Stimme geben. Dafür können sie beliebig viele ihrer Handkarten als Stimmen ausspielen. Die Aktion die danach die meisten Stimmen hat wird ausgeführt (bei einem Patt gewinnt der Hauptvorschlag).

Doch wozu das Ganze?

Natürlich wird sich die Gruppe für eine Aktion entscheiden die den größten Nutzen hat.

Doch was nützt wem?

Grundsätzlich ist das Spiel kooperativ und ein Ziel ist es den Bedrohungsmarker nicht auf das Feld 25 (oder darüber hinaus) wandern zu lassen. Denn in diesem Fall hätten alle Spieler verloren und die Regierung übernimmt die Kontrolle über New Angeles. Daher versucht man grundsätzlich schon alles zu tun um dies zu verhindern. Aber es kann ja auch nicht schaden wenn die zur Wahl stehende Aktion meinen persönlichen Interessen zusätzlich in die Karten spielt. Denn letztendlich geht es um Kapital. Und je nachdem welchen Konzern man spielt bringt einem zum Beispiel das Entfernen von Krankheitsmarkern aus den Stadtteilen vielleicht mehr als die Beseitigung von Unruhen.

Die Bedrohung ist bereits bei der7 angekommen...
Ausschlaggebend für das eigene Ziel ist die so genannte Rivalenkarte die man zu Spielbeginn erhält. Diese zeigt an vor welchem Spieler man am Ende landen muss um zu gewinnen. Nur dies muss man schaffen (und natürlich verhindern das die Bedrohung auf 25 steigt). So hat also jeder eine andere Motivation und deshalb kann ein eigentlich logischer Vorschlag (für die Gemeinschaft) auch schon mal abgewatscht werden da er vielleicht jemandem besonders hilft den ich nicht vor mir auf der Punkteleiste sehen möchte. Denn neben den Effekten der Aktionskarte wird derjenige dessen Vorschlag angenommen wurde auch noch mit einer Vorteilskarte belohnt. Diese gibt ihm einmalig oder für den Rest des Spiels spezielle Vorteile die sehr mächtig sein können.

Die Anzahl dieser Vorteilskarten die pro Runde vergeben werden variiert zwischen 3-5 und gibt damit an wieviele solcher Abstimmungen in einer Aktionsphase durchgeführt werden. Nach dieser Aktionsphase kommt es zur Produktion in der nun alle Stadtteile die einen Androidenmarker besitzen ihre Ressourcen produzieren (oder anders gesagt sie werden ausgebeutet). Dies ist wichtig um die aktuelle Nachfrage an Gütern zu befriedigen. Sollte nach jeweils 2 Spielrunden diese Nachfrage nicht gedeckt sein wandert der Bedrohungsmarker einige Schritte nach oben (was ja eigentlich niemand will). Nach der Produktion wird zum Ende einer solchen Standardrunde noch eine Ereigniskarte gezogen. Diese gibt an für welche Begebenheiten evtl. die Bedrohung erhöht werden muss und welchen neuen Spielmaterialien (Figuren, Marker etc.) wo ins Spiel kommen.

Luxusgüter sind bereits ausreichend vorhanden aber am Rest hapert es noch...

Genau diese Dinge sind es nämlich die das Leben eines Konzern-Bosses so beschwerlich machen. Denn nach jeder Produktion erhöht sich zum Beispiel der Unruhelevel um 1 Stufe. Level 0 (=stabil) ist genau so harmlos wie Stufe 1 (=Protest). Bei Stufe 2 (=Streik) hört der Spaß aber auf da dieser Stadtteil ab sofort nichts mehr produziert. Dumm ist es auch wenn sich eine Figur "Menschen zuerst" in einem Stadtteil befindet während sie ausgebeutet wi.... ähm ...  ich meine produziert. Das erhöht den Unruhelevel nämlich sofort um 2 Stufen. Genauso störend sind die Figuren "Organisiertes Verbrechen". Diese verhindern nämlich die Produktion der Primärressource. Manche Bezirke liefern nämlich zwei Güter von denen die rechts abgebildeten als Sekundärressourcen gelten (Bezirke mit nur 1 Symbol liefern dann also auch nichts).

Um diesen ganzen Pöbel zu beseitigen gibt es die PriSec-Einheiten die so etwas wie Sicherheitsbeamte darstellen die im Sinne der Konzerne agieren. Treffen diese auf feindliche Einheiten wandern diese an festgelegten Pfaden entlang der Stadtteile bis sie evtl. ganz vom Plan fliegen und dann aber die Bedrohung wieder erhöhen. Nervig sind auch die Krankheitsmarker die den gleichen Effekt haben wenn in einem Stadtteil mit einem solchen Marker eine Aktion durchgeführt wird. Und eben genau dies tun die meisten Aktionskarten. Marker bzw. Figuren entfernen, die Produktion beeinflussen oder neue Elemente ins Spiel bringen. Alles mit dem Ziel die Versorgung sicherzustellen.

Dieser Stadtteil würde nichts produzieren da hier u.a. Streik herrscht...

Denn nach zwei solchen Standardrunden folgt immer eine Nachfragerunde. Nun wird geschaut ob alle Ressourcen ausreichend hergestellt wurden. Ist dies nicht der Fall steigt die Bedrohung. Doch auch die Konzerne haben etwas davon wenn die Nachfrage gedeckt wurde. Denn jeder Spieler hat auch noch eine eigene Investitionskarte. Diese belohnt einen Spieler noch zusätzlich wenn z.B. eine einzelne der geforderten Ressourcen genügend vorhanden ist. Auch dies sorgt dafür, dass schon mal eigene Interessen vor denen der Gemeinschaft stehen und ein ungewöhnliches Verhalten bei Abstimmungen zur Folge haben.

Dieser Ablauf mit 2 Standard- und 1 Nachfragerunde wiederholt sich 3 x und am Ende wird geschaut wer sein geheimes Ziel erreicht hat und wer eben nicht. Oft ist es dann auch so, dass alle bis auf einen gewinnen. Sicher ist nur das niemals alle gewinnen können!

ABER!

Das was dem Spiel diese Prise Ungewissheit und Paranoia extra gibt ist die Rolle des Föderalisten. Dieser befindet sich nämlich zu Beginn auch unter den Rivalenkarten und ist die einzige Rolle mit der man alleine gewinnen kann. Dann ist es nämlich das Ziel die Bedrohung auf 25 steigen zu lassen. Einzige zusätzliche Bedingung ist das man selbst ein Kapital von 25 erwirtschaftet haben muss (was aber nach einer Partie Erfahrung nicht sonderlich schwer erscheint). Da es aber immer 1 Rivalenkarte mehr als Spieler gibt ist nie sicher ob ein Föderalist unter den Spielern ist.  

VERLAUF UNSERER PARTIE / EINDRUCK

Ich habe mein Glück mit dem Jinteki-Konzern versucht..
Dieses Spiel macht aus meiner Sicht vieles richtig. Ähnlich wie SCHATTEN ÜBER CAMELOT ist hier nicht sicher ob ein "Verräter" mitspielt. Das ist auch schon mal ein großer Unterschied zu BATTLESTAR GALACTICA wo man weiß, dass zumindest einer ein falsches Spiel treibt. Doch deswegen ist die Paranoia hier nicht weniger allgegenwärtig. Denn durch die jeweiligen eigenen Ziele und Interessen der Spieler weiß man nie ob jemand eine unlogische Entscheidung trifft weil er sabotiert oder eben auf sein eigenes Ziel hin arbeitet. Diesen Aspekt empfinde ich als äußerst reizvoll.

Dies kann aber auch (wie auch in unserer Partie) schon mal zu hitzigen Diskussionen führen. So habe ich als Jinteki-Spieler eine Rivalenkarte gezogen die mir vorgab am Ende vor dem Hass-Biorid-Spieler zu landen. Diesen habe ich dann natürlich bei den meisten Abstimmungen nicht unterstützt und auch versucht meine Mitspieler von den jeweiligen Gegenvorschlägen zu überzeugen. Auch wenn dies nicht zu 100% zum Wohle aller war. Dies konnte der Spieler jedoch nicht verstehen und war davon irgendwann so genervt, dass er sich sogar zu einer persönlichen Beleidigung hinreißen ließ weil er meine Argumentation für unlogisch hielt. Für meine persönlichen Ziele waren diese aber natürlich absolut logisch....

Die nächste Aktionsrunde steht an und es geht um die ausliegende Vorteilskarte "Bauernopfer"...
Dies ist natürlich auch der Grund warum man deutlich sagen sollte, dass NEW ANGELES nicht unbedingt für alle Gruppen geeignet ist. Bei uns war es irgendwann dann auch schon so weit, dass diejenigen die abstimmen sollten gar nicht mehr wussten wem sie was glauben sollten und wem nicht. Allerdings hat das Spiel damit sein Ziel aus meiner Sicht voll erfüllt. Wer so etwas aber nicht mag oder eben nicht damit klar kommt von einzelnen Spielern permanent geblockt zu werden sollte evtl. besser die Finger von diesem Spiel lassen. Auch thematisch ist es natürlich etwas zweifelhaft bzw. Geschmacksache. Man verkörpert ja quasi korrupte Konzern-Bosse die nur an den eigenen Profit denken und denen das Allgemeinwohl nur am Herzen liegt wenn es dem eigenen Vorteil dient.

Das Bewältigen der Nachfrage ist sicherlich die kooperative Hauptaufgabe in dem Spiel um die Bedrohung niedrig zu halten. Eigentlich sollten also hier alle Interesse haben diese zu decken (mit Ausnahme des Föderalisten wenn er genügend Kapital gesammelt hat). Doch sorgen die Investitionskarten wiederum dafür, dass auch hier jeder sein eigenes Süppchen kochen kann. Wenn ich z.B. hinter meinem Rivalen platziert bin und dringend Kapital brauche, kann es schon mal sinnvoller sein die Nachfrage nicht komplett zu befriedigen sondern sich auf die Ressource zu konzentrieren die mir einen Bonus bringt. Hier liegt aber auch eine große Gefahr. Denn wie schon erwähnt hatten wir einen gefrusteten Spieler der damit drohte die ganze Nachfrage scheitern zu lassen (was als Hass-Biorid besonders gut geht) damit alle untergehen. Durch den Föderalisten würde er damit aber nur den Königsmacher spielen und eben nur einem Spieler den Sieg bescheren.

Es ist eben ein politisches Spiel bei dem man egoistisch zusammen arbeiten muss. Doch je näher das Spielende rückt desto unberechenbarer werden die Handlungen der Mitspieler da jeder versucht seine Schäfchen ins Trockene zu bekommen. Und sicherlich ist es auch nicht immer einfach wenn man lange Zeit zusammen arbeitet und man irgendwann abserviert wird. Das ein früher deutlicher Rückstand noch aufgeholt werden kann zeigte Tobias der mit Globalsec lange fast aussichtslos zurück lag. Doch auch er schaffte am Ende noch den Anschluss. Dies war allerdings egal da Sebastian als "Föderalist" ruhig dabei zusehen konnte wie wir uns mit unserer Uneinigkeit quasi selbst ins Verderben bugsierten. So lagen wir am Ende zwar alle um die 40 Punktemarke doch die Bedrohung erwischte uns in der letzten Spielrunde und sorgte damit für den Sieg des Föderalisten.

Für diese Partie haben wir in Summe fast 5 Stunden benötigt. Dies war vor allem den manchmal endlosen Diskussionen geschuldet. Vor allem 1 bzw. 2 Abstimmungen wurden im Nachhinein immer wieder thematisiert da einige doch erhebliche Probleme mit aus ihrer Sicht unverständlichen Entscheidungen hatten. Ich finde es aber relativ sinnfrei in einem solchen Spiel wo jeder ein eigenes geheimes Ziel hat über Logik zu debattieren. Da es dann auch am Spielende recht spät (bzw. früh) war, haben wir jetzt auch nicht mehr ausführlich darüber diskutiert wie alle das Spiel fanden. Ich kann für mich nur sagen, dass ich Spiele mit einem gewissen Anteil Psychologie und Verhandlungsführung sehr gerne mag und daher gehen von mir nach dieser ersten Partie auch meine beiden Daumen hoch für NEW ANGELES!



Mögen die Karten/Würfel mit Euch sein!